Atomzeitalter

Nur wenige Monate nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima im März 2011 beschloss der Bundestag den Ausstieg aus der kommerziellen Nutzung der Kernenergie in Deutschland. Der Atomausstieg sieht vor, dass im April 2023 auch die letzten Kernkraftwerke in Deutschland abgeschaltet werden. Doch damit ist das Kapitel der Kernenergie in Deutschland nicht abgeschlossen. Der Rückbau der deutschen Atomkraftwerke wird voraussichtlich noch Jahrzehnte dauern und viele Milliarden Euro kosten.
Auch 70 Jahre nach dem Beginn der zivilen Nutzung der Kernenergie in Deutschland, wird noch immer nach einem Endlager für den hoch radioaktiven Müll aus Atomreaktoren und Forschungseinrichtungen gesucht.
Die Arbeit Atomzeitalter dokumentiert die Nutzung der Kernenergie in Deutschland. Angefangen beim Uranabbau für die russische Atombombe bis zur Endlagersuche auf der „weißen Landkarte“. Es werden Landschaften und Sozialstrukturen gezeigt, die über Jahrzehnte von der zivilen und militärischen Nutzung der Atomkraft geprägt wurden. So entsteht ein ambivalentes Porträt vom Rückbau einer Utopie der unbegrenzten, sauberen Energiegewinnung.

KKW Grohnde
Das Kernkraftwerk Grohnde liegt etwa 40 Kilometer südlich von Hannover und gehörte einst zu den Kraftwerke mit der höchsten Bruttostromerzeu- gung weltweit. Der Druckwasserreaktor ging trotz großer Proteste der Bevölkerung 1985 ans Netz und soll Ende diesen Jahres abgeschaltet werden. Die Baukosten für das Kraftwerk an der Weser lagen damals bei umgerechnet 200 Millionen Euro. Während 37 Jahren Betriebszeit kam es zu 277 meldepflichtige Störfällen. Im oberirdische Zwischenlager für ab- gebrannte Kernbrennelemente ste- hen 34 Castoren. Der Rückbau soll voraussichtlich 20 Jahre dauern und rund 1 Milliarde Euro kosten.
KKW Gundremmingen
Das Kernkraftwerk ging 1966 ans Netz. Block A wurde 1977 nach einem Störfall dauerhaft abgeschaltet. Block B ging 2017 vom Netz und Block C soll Ende diesen Jahres abgeschaltet werden.
Brennelementfertigungsanlage Lingen
Messgeräte für radioaktive Strahlung stehen am Zaun der Brennelementfertigungsanlage im niedersächsischen Lingen. In der Fabrik des französischen Betreibers ANF (Advanced Nuclear Fuels) werden Kernbrennstoff und Brennelemente für Atomkraftwerke hergestellt. Etwa 90 Prozent der Produktion werden ins Ausland exportiert. Trotz des deutschen Atomausstiegs bis 2022, verfügt die Fabrik über eine unbefristete Betriebserlaubnis.

Forschungsbergwerk Schachtanlage Asse
Das ehemalige Salzbergwerk in Niedersachsen, wurde zwischen 1967 und 1978 als Forschungsbergwerk für die Endlagerung radioaktiver Abfälle genutzt. Anfangs wurden die Fässer mit radioaktivem Müll stehend übereinander gestapelt. Ab 1974 wurden die Fässer per Radlader in die Kammern gekippt. Einige der Fässer sind heute beschädigt und undicht. Über 85 Prozent des in der Asse eingelagerten radioaktiven Mülls, stammt aus den Kernkraftwerken von Vattenfall, EON, RWE und EnBW. Seit 1988 ist bekannt, dass täglich etwa 12.000 Liter Wasser in die Asse eindringen. Gelangt diese Salzlösung auch in die Einlagerungskammern, dann kann es zu einer Kontamination des Grundwassers mit radioaktiver Lauge kommen. Ab 2033 soll daher der Atommüll aus dem maroden Bergwerk geborgen und oberirdisch zwischengelagert werden. Die Kosten werden laut niedersächsischer Staatskanzlei auf 3,35 Milliarden Euro geschätzt.

KKW Gundremmingen
Das Kernkraftwerk ging 1966 ans Netz. Block A wurde 1977 nach einem Störfall dauerhaft abgeschaltet. Block B ging 2017 vom Netz und Block C soll Ende diesen Jahres abgeschaltet werden.

KKW Neckarwestheim
Das Kraftwerk Neckarwestheim ging 1988 als letztes Westdeutsches Kraftwerk ans Netz. Es befindet sich auf einem ehemaligen Steinbruchgelände, rund 7 Meter unter dem Niveau des Neckar. Um Hebungsrisse durch aufquellenden Anhydrit zu verhindern, müssen pro Sekunde ca. 150 Liter Grundwasser abgepumpt werden. Dadurch wir auch Gips ausgespült und es entstehen metertiefe Hohlräume. Der Kühlturm ist aufgrund des geologisch instabilen Grund, um 40 cm abgesunken. Über mehrere Jahre wurde mit Hilfe von Beton-Einpressung versucht, den Untergrund zu stabilisieren. Ende 2002 kam es auf einem Acker in der Nähe vom KKW zu einem 18 Meter tiefen Erdeinbruch. Das KKW Neckarwestheim liefert ein sechstel des produzierten Stroms direkt an die Deutsche Bahn. 

End- und Zwischenlager Gorleben
Das ehemalige Greenpeace-Aktions- schiff Beluga steht als Mahnmal gegen die Endlagerpolitik der Bundesregie- rung vor dem Salzstock Gorleben. Die Beluga war Jahrzehnte lang mit Laboreinrichtung und Messgeräten an den Wiederaufarbeitungsanlagen im britischen Sellafield und französi- schen La Hague unterwegs, um die radioaktive Verschmutzungen der Meere durch Atommüll nachzuwei- sen. Auch aufgrund der Messergeb- nisse, stellte die Bundesregierung 2005 die Wiederaufarbeitung im Ausland ein.

Uranabbau Wismut
Nach dem zweiten Weltkrieg wurden in Sachsen und Thüringen unter strenger Geheimhaltung 231.000 TonnenUranausderErdegeholt.DamitwardieDDRder viertgrößte Uranproduzent der Welt. Um den Ausgangsstoff für Atombomben und Kernkraftwerke, den sogenannten Yellowcake herzustellen, wurde das Uran durch den Einsatz von Säuren und Laugen aus dem geförderte Erz herausgelöst. Da der Urananteil im Erz nicht einmal 0,1 Prozent beträgt, blieben pro Kilo gewonnenen Uran über eine Tonne radioaktiv belastetes Gestein zurück. Insgesamt kam so eine Altlast von 311 Millionen Kubikmeter Haldenmaterial und 160 Millionen Kubikmeter radioaktiver Schlämme zusammen. Die Kumpel unter Tage wurden durch radioaktiven Staub vergiftet. Zwischen 1946 und 1989 erkrankten 5.300 Bergleute an Lungenkrebs und 15.000 an Silikose. Der Wind blies den radioaktiven Staub in die umliegenden Ortschaften und mit jedem Regen gelangten radioaktive Partikel in die Flüsse und das Grundwasser. Nach der Wiedervereinigung wurde die Urangewinnung eingestellt und mit den Sanierungsarbeiten begonnen, welche bis heute nicht abgeschlossen sind. Mit rund 8 Milliarden Euro Gesamtkosten, dürfte die Sanierung der Uranabbaugebiete in Ostdeutschland, dass teuerste und aufwendigste Umwelt Sanierungsprogramm Europas sein und obendrein ein Symbol für eine jahrzehntelange Umweltzerstörung. Bei der Grubenwasseraufbereitung fällt bis heute Uran an, das noch bis Mitte 2021 durch die Wismut GmbH verkauft wurde.

KKW Kahl
Das Kernkraftwerk Kahl war das erste kommerzielle genutzte Kernkraftwerk der Bundesrepublik Deutschland. Es wurde von 1960 bis 1985 betrieben und war mit einer elektrische Leistung von 15 Megawatt so ertragreich wie drei Windkraftanlagen. Während den 25 Jahren Laufzeit kam es zu 90 Störfällen, von den sieben als ernsthaft eingestuft wurden. Der Abriss begann 1986 und der Rückbau bis zur “grünen Wiese” dauerte bis 2010 an. Neun Jahre länger als die Betriebszeit und zehnmal so lange wie die Bauzeit. Die Rückbaukosten lagen mit 150 Millionen Euro siebenmal höher als die Baukosten (22 Millionen Euro). Das Kernkraftwerk Kahl ist das erste vollständig rückgebaute Atomkraftwerk in Deutschland.

KKW Stade
Das Kernkraftwerk Stade ging 1972 ans Netz und befindet sich seit 2005 im Rückbau, welcher ursprünglich bereits 2015 abgeschlossen sein sollte. Wegen erhöhter Strahlenwerte am Sockel des Reaktors, verzögerte sich jedoch der Abriss. Die Baukosten lagen bei 150 Millionen Euro. Für den Rückbau rechnete der Betreiber E.ON ursprünglich mit Kosten von 500 Millionen Euro, nun wird von einer Milliarde Euro ausgegangen.

KKW Brokdorf
Das Kernkraftwerk Brokdorf ging 1986, kurz nach dem schweren Reaktorunglück in Tschernobyl, ans Netz. Schon während der Bauphase Ende der 70er- und Anfang der 80er- Jahre hatte es heftige Proteste gegen das Kraftwerk gegeben. Es ist mit 1.410 Megawatt der leistungsstärkste Reaktor in Deutschland und wurde Ende 2021 abgeschaltet.

KKW Stendal
Das Kernkraftwerk Stendal sollte das größte Kernkraftwerk in der DDR werden. Ab 1981 wurde mit dem Bau von vier Blöcken mit je 1.000 Megawatt Leistung begonnen. Nach der Wiedervereinigung wurde wegen steigenden Sicherheitsbedenken und finanzieller Probleme ein Baustopp verhängt. Seit Anfang der 1990er Jahre wird das Kernkraftwerk abgerissen.

KKW Stendal
Das Kernkraftwerk Stendal sollte das größte Kernkraftwerk in der DDR werden. Ab 1981 wurde mit dem Bau von vier Blöcken mit je 1.000 Megawatt Leistung begonnen. Nach der Wiedervereinigung wurde wegen steigenden Sicherheitsbedenken und finanzieller Probleme ein Baustopp verhängt. Seit Anfang der 1990er Jahre wird das Kernkraftwerk abgerissen.

Endlager Schacht Konrad
Das ehemalige Eisenerzbergwerk, Schacht Konrad in Salzgitter, ist die erste nach Planfeststellungsverfahren genehmigte Anlage zur Entsorgung von radioaktiven Abfällen in Deutschland. Ab 2027 soll in dem Endlager schwach- und mittelradioaktive Abfälle eingelagert werden. Anschließend soll Schacht Konrad mit Beton verfüllt und versiegelt werden. Gesamtkosten zur Errichtung des Endlagers Konrad werden vom Bund auf rund 4,2 Milliarden Euro geschätzt.

KKW Emsland
Das Kernkraftwerk Emsland ging 1988 ans Netz und wurde als Ersatz für das 1977 stillgelegte Kernkraft- werk Lingen in direkter Nachbar- schaft gebaut. Der deutsche Atom- ausstieg sieht vor, dass bis April 2023 alle Kernkraftwerke in Deutschland abgeschaltet werden.

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